Am Sonntag, dem 16. September, war es wieder so weit: Das Kulturzentrum in Herne war für das Hauptkreistreffen der Kreisgemeinschaft Ortelsburg festlich hergerichtet. Vor dem Kulturzentrum kündigten die gehissten Flaggen Ostpreußens (Elchschaufel) und Ortelsburgs (springender Hirsch) neben der Deutschlandflagge sowie den Flaggen Nordrhein-Westfalens und der Stadt Herne dieses besondere Ereignis bereits an.
Schon vor Veranstaltungsbeginn warteten die ersten Besucher an der Tür. Dann kamen sie in kleineren und größeren Gruppen. Am Ende wurden über 700 Teilnehmer gezählt: Eine große Ortelsburger Familie, die den Veranstaltungssaal füllte.
Die Feierstunde um 11:30 Uhr wurde mit dem Geläut der Ortelsburger Glocken eingeleitet. Die Gespräche verstummten, und eine feierliche Stille kehrte ein. Dann erschallte das erste Lied "Großer Gott wir loben Dich", begleitet von der Bläsergemeinschaft der evangelischen Pauluskirche Gelsenkirchen-Resse. Ja, Dankbarkeit und Freude spürte man überall darüber, dass man sich hier nach einem Jahr wieder gesund getroffen hatte.
Dieter Chilla, der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, begrüßte die Anwesenden. Namentlich genannt wurden die Ehrengäste: Dr. Renate Sommer, Mitglied des Europaparlaments, Ingrid Fischbach, Mitglied des Bundestages, Bürgermeisterin Birgit Klemczak, die in diesem Jahr den Oberbürgermeister der Stadt Herne vertrat, der Alt-Oberbürgermeister Wolfgang Becker, Alexander Letzel als Ratsvertreter der Stadt Herten, unsere Freunde von der deutschen Minderheit aus Ortelsburg/Szczytno, angeführt von dem Vorsitzenden Arkadiusz Leska. Ebenso anwesend waren der Pfarrer der ev. Kirche aus Ortelsburg/Szczytno Szymon Czembor mit seiner Ehefrau Karolina, der Pfarrer der Passenheimer Kirchengemeinde Witold Twardzik, die Vertreterin der Landesgruppe Jauer Irene Hänsel, der Vorsitzende des Freundeskreises Szczytno-Herten Karl Heinz Egger, der Ehrenvorsitzende der Kreisgemeinschaft Ortelsburg Edelfried Baginski und der ehemalige Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Wilhelm Geyer. Eine lange Liste. Und weitere Personen waren zu begrüßen. Aus Brasilien war das Ehepaar Araci und Antonio Gemballa angereist. Selbst aus den USA konnte das Ehepaar Oswiensimko begrüßt werden. Sie besuchten das Land Ihrer Väter und zeigten sich berührt, an dem Hauptkreistreffen der Kreisgemeinschaft Ortelsburg teilnehmen zu können.
Bei der Totenehrung gedachte Herbert John, der stellvertretende Vorsitzende, der durch die Kriegseinwirkung verstorbenen Landsleute, sei es beim Kriegseinsatz, auf der Flucht oder in Gefangenschaft. Er gedachte aber auch der Verstorbenen des letzten Jahres, wobei er Heinz-Georg Mosdziel besonders hervorhob, der im Februar diesen Jahres plötzlich und unerwartet im Alter von 53 Jahren verstarb. Heinz-Georg Mosdziel war Mitglied des Vorstandes der Kreisgemeinschaft Ortelsburg. Sein Einsatz war vielfältig. An der Digitalisierung der Bildbestände und Ortspläne, der Erstellung mehrerer Bildbände, sowie an der Ausgabe alter Schriftwerke war er maßgeblich beteiligt. Herbert John endete mit den Worten; "Heinz-Georg Du fehlst uns sehr". Dann folgte ein Trompetensolo mit dem Lied vom alten Kameraden.
Die Festansprache hielt Dr. Renate Sommer. Sie überbrachte den Versammelten die Grüße des Europäischen Parlaments. Sie beleuchtete das erfolgreiche Bemühen der Vertriebenen um Aussöhnung, die bereits mit der Charta der Vertriebenen im August 1950 wegweisend waren. Sie machte nachhaltig deutlich, dass die gelungene Integration der Vertriebenen, deren Fleiß und Einsatz ein spürbarer und nachhaltiger Gewinn für das Nachkriegsdeutschland waren. In Ihrer Ansprache beleuchtete Dr. Renate Sommer auch das Thema "Völkerverständigung", hier besonders das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen. Sie nannte die Vertreibung eine Verletzung der Menschenrechte und sprach von der Öffnung der Ostblockländer durch die Solidarnosc-Bewegung. Heute fahren wir in Europa, auch nach Polen, über offene Grenzen hinweg. Damit haben wir die verlorene Heimat nicht wieder, aber sie ist uns ein Stück näher gerückt. Sie betonte, dass Polen unter den Transferstaaten auch aus eigener Kraft besondere Erfolge vorzuweisen hat.
Es folgten Grußworte der Herner Bürgermeisterin Birgit Klemczak. Sie wies darauf hin, dass die Patenschaft der Stadt Herne sich in diesem Jahr zum 50. Male jährt. Im Dezember findet eine Jubiläumsveranstaltung mit dem Vorstand der Kreisgemeinschaft und dem Rat der Stadt Herne in der Heimatstube im Gebäude der Musikschule in Herne statt. 50 Jahre, in denen die Stadt treu zu den vertriebenen Ortelsburgern stand und steht. Es folgte ein Grußwort des Vorsitzenden der deutschen Minderheit aus Ortelsburg/Szczytno Arkardiusz Leska. Er bedankte sich für die vielfältige gute Zusammenarbeit und Unterstützung der Landsleute im ehemaligen Kreis Ortelsburg.
An einem so schönen Tag dürfen Ehrungen natürlich nicht fehlen. Sie wurden vorgenommen von dem Vorsitzenden der Kreisgemeinschaft, Dieter Chilla. Mit der Ehrenmitgliedschaft und dem Silbernen Ehrenabzeichen der Kreisgemeinschaft wurden in diesem Jahr die Mitarbeiter der Heimatstube: Ingrid Becker, Lili Kruppa und Gisela Nötzel für ihren unermüdlichen Einsatz in der Heimatstube geehrt, ebenso Irene Pichottka für ihre über 20jährige Mitarbeit im Kreistag der Kreisgemeinschaft Ortelsburg. Die Ehrenmitgliedschaft mit dem Goldenen Ehrenabzeichen der Kreisgemeinschaft erhielt Edmund Kucinski, der ehemalige Vorsitzende der deutschen Minderheit Ortelsburg, für seine 20jährige gute Zusammenarbeit mit der Kreisgemeinschaft Ortelsburg. Edmund Kucinski ist Gründer des Vereins "Heimat" der deutschen Minderheit in Ortelsburg/Szczytno. In schwierigen Zeiten steuerte er den Verein durch schweres Fahrwasser und brachte ihn zu seinem heutigen Erfolg. Nach der Ehrung überreichte Dieter Chilla seinem Vorgänger, Edelfried Baginski, ein gebundenes Werk aller "Yorckschen Jäger", dem Vorläufer des heutigen Heimatboten.
In seinem Schlusswort bedankte sich Edelfried Baginski für das Buch, vor allem aber dafür, dass die "Ortelsburger" Ihrer Heimat treu geblieben sind und nicht nachlassen, die Treffen zu besuchen. Er erinnerte noch einmal an die in diesem Jahr stattfindende Kreistagswahl und wies auf die am Eingang bereit gestellte Wahlurne und die Wahlscheine hin.
Nach diesen Worten wurde das Deutschlandlied angestimmt. Aus vollen Kehlen klang es durch den Saal: "Einigkeit und recht und Freiheit für das deutsche Vaterland".
Der restliche Tag stand zur freien Verfügung. Nun wurde plachandert. An Büchertischen wurden Bildbände sowie Literatur der Kreisgemeinschaft angeboten. An anderer Stelle Heimatboten, auch ältere Ausgaben. Die "Preußische Allgemeine Zeitung" war ebenso vertreten wie der ""Bund junges Ostpreußen". Natürlich war auch ein Stand für Familienforschung eingerichtet. Aber was ist das schon alles gegenüber den vielen schönen Gesprächen mit den altvertrauten Bekannten und ehemaligen Nachbarn der großen Ortelsburger Familie.
Das nächste Hauptkreistreffen findet am 15.09.2013 an gleicher Stelle statt. Ich hoffe und wünsche, dass wir uns spätestens dann alle wiedersehen.
Hans Napierski