Mitteilungsblatt der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren

01/2011   Der Nikolaus als Prüfer   Ortelsburg. Adventsfeier mit Überraschung

Der Nikolaus aus Ortelsburg prüft wie jeder Masure, bevor er etwas gibt, genau, wem er es gibt. Er mag Masure sein – geizig ist er jedoch überhaupt nicht.

Die Weihnachtszeit begann in Ortelsburg am 6. Dezember. An diesem Tag fand die Weihnachtsfeier für Kinder statt. Zum Sitz der gesellschaft kamen etwa 30 im Alter von 1 bis zu 14 Jahren. Normalerweise kommen mehr, aber dieser Tag war kalt und der Wind wehte, obendrein war ein Teil der Kinder, der einen richtigen Winter nicht gewohnt ist, krank geworden. Die jedoch, die gekommen waren, hatten ein herrliches Vergnügen, das Dawid Marmucki, ein Mitglied der gesellschaft, für sie veranstaltete. Dawid organisierte für die Kinder nicht nur verschiedene Spiele und Wettbewerbe, sondern prüfte währenddessen diskret ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, indem er sie zum beispiel auforderte, gegenstände und Tätigkeiten zu benennen. Während des dreistündigen Vergnügens bemerkten die Kinder nicht einmal, dass sie gleichzeitig die Sprache lernten. Wer müde oder hungrig wurde, konnte sich mit Süßigkeiten, Obst und getränken stärken, die von den Erwachsenen vorbereitet worden waren. Hauptprogrammpunkt war natürlich der besuch des Heiligen Nikolaus. Er wurde verkörpert von Marek rybacki, ebenfalls ein Mitglied der gesellschaft. Päckchen vom Nikolaus bekam keiner gratis. Jeder musste einen Vers auf Deutsch aufsagen oder etwas singen.

Die Erwachsenen trafen sich in der darauf folgenden Woche – am 13. Dezember. Sie versammelten sich zu einem Adventsabend. Etwa 70 Personen waren anwesend. Alle erwarteten, dass es wie üblich sein werde, dabei wartete eine Überraschung auf sie: ein Auftritt der Kinder aus dem Jugendsprachraum. Die kleinen Künstler sangen Weihnachtslieder, und eine der Kolleginnen begleitete sie auf der gitarre. Sie rezitierten auch feierliche gedichte.

Der Tradition wurde auch genüge getan, und dafür sorgte ein gast – Pastor Professor Alfred Tschnirnitz, der Probst der lutherischen gemeinde in Ortelsburg. Er sprach ein gebet, wonach er die Versammelten an die Symbolik des Advents erinnerte.

Selbstverständlich blieb auch Zeit für gespräche und gemeinsames Sin- gen am Tisch. Am Ende bekam jeder der Teilnehmer eine Schokolade oder einen Schokoladennikolaus mit auf den Weg.

lek (Lech Kryszałowicz)


01/2011   Es fing mit Märchen an   Ortelsburg. "Jugendsprachraum"

Am Anfang gemeinsames Theater, danach ein Jahr gemeinsamer Unterricht und Vergnügen. Und weiter? Das ist noch unklar.

Der Jugendsprachraum bei der gesellschaft der deutschen Minderheit "Heimat" in Ortelsburg war das ganze Jahr 2010 in betrieb. Ihn besuchten 15 Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren aus Ortelsburg und Lindenort. Er war samstags und sonntags für jeweils 3-4 Stunden geöffnet.

Ihn besuchten ihn dieselben Kinder, die im Juni 2009 mit einer Vorführung am Tag des Märchens aufgetreten waren, den die gesellschaft organisiert hatte.

Die Kinder lernten im Jugendsprachraum die deutsche Sprache, Lieder und Verse hauptsächlich auf- spielerische. Der Unterricht gefiel ihnen genauso wie den Eltern, die sich freuten, dass ihre Sprösslinge die Sprache der Vorfahren kennen lernten. Den Jugendsprachraum leitete die germanistin Aneta Leska, die wusste, wie sie ihnen einen interessanten und nützlichen unterricht organisieren konnte.

– Als wir vor einem Jahr den Jugendsprachraum organisierten, wussten wir nicht, wie er angenommen werden und wie er sich bewähren würde. Jetzt bedaure ich, dass wir uns nicht um eine Verlängerung des Projektes für 2011 bemüht haben. Es wäre schade, wenn diese prima Kinder sich nicht weiter entwickeln könnten – sagt Helena Samsel, die Schatzmeisterin der gesellschaft "Heimat" und Ideengeberin des Jugendsprachraums. Die Initiatorin vieler Ereignisse in ihrer Organisation kündigt jedoch an, dass sie sich um die Verlängerung des Jugendsprachraums auch für das Jahr 2011 bemühen werde.

Das Projekt des Jugendsprachraums bei der gesellschaft der deutschen Minderheit "Heimat" in Ortelsburg wurde finanziert durch das generalkonsulat der bundesrepublik Deutschland in Danzig und das Ministerium für Inneres und Verwaltung in Warschau.

lek (Lech Kryszałowicz)


05/2011   Ein Osterkorb direkt aus der "Heimat"   Ortelsburg. Plastisch-technische Werkstatt

Die plastisch-technische Werkstatt fand am 26. und 27. März im Sitz der Gesellschaft der deutschen Minderheit "Heimat" in Ortelsburg statt. An ihr nahmen 10 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren teil. Die Werkstatt leitete die Instruktorin Ewa Ulatowska.

Im Rahmen der zweitägigen Werkstatt stellten die Kinder selbstständig einen Osterkorb her. In ihm konnte man neben Ostereiern einen Hasen oder ein Osterküken finden. Darüber hinaus dekorierten ihn die Kinder eigenhändig mit Blumen, die sie auch selbst gebastelt hatten.

Während der Arbeitszeit erhielten die Kinder einen Imbiss. das Projekt wurde aus Eigenmitteln der Kulturgesellschaft der Deutschen "Heimat" in Ortelsburg finaziert.

hs (Helena Samsel)


05/2011   Auf verschlungenen Wegen durch die Heimat   Region. Frühlingsexpedition des Vorsitzenden

Fast 650 km in zwei Tagen. So viele Kilometer fuhr Henryk Hoch, der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, um die Organisationen in unserer Region zu besuchen.

Auf seine Frühlingsexpedition zu den Gesellschaften machte sich der Vorsitzende am 5./6. April. Die Fahrt hatte einige Ziele.

– Ich möchte die Gesellschaften besuchen und vor Ort sehen, was sich bei ihnen seit meiner letzten solchen Expedition im Winter 2005 geändert hat. Außerdem möchte ich sie ein weiteres Mal an die Möglichkeit des kostenlosen Unterrichts für ihre Kinder in Deutsch als Muttersprache an polnischen Schulen erinnern und ihnen bewusst machen, warum die Nationale Volkszählung, die am 1. April begonnen hat, so wichtig für uns ist. Ich leite auch die Richtlinien des Vorstandes des Verbandes für die Jugendarbeit an sie weiter – erklärt Henryk Hoch.

Das erste Etappenziel ist Ortelsburg. Hier die erste Änderung: die Gesellschaft "Heimat" hat seit kurzem einen neuen Sitz in der Straße Barta Strona 3. Er befindet sich im Erdgeschoss eines typischen Einfamilienhauses. Er besteht aus zwei miteinander verbundenen mittelgroßen Räumen, Küche und Bad. Elegant, sauber und sympathisch. Die Wände sind mit Regalen mit Büchern voll gestellt.

– Der Vermieter hat diese Wohnung extra für uns vorbereitet, versichern Helena Samsel, die Schatzmeisterin der Gesellschaft "Heimat" und Arkadiusz Leska, ihr Vizevorsitzender.

[…]

– In den Gesellschaften, in denen vor 6 Jahren etwas los war, ist das im Allgemeinen weiterhin so. Leider jedoch nicht in allen. Einige haben organisatorisch stark nachgelassen. Die, in denen das Leben blüht, kommen mit den Kosten klar, selbst wenn sie keine Verdienstmöglichkeiten auf ihrem Standort haben. Die Schwachen bitten um Unterstützung. Das stellt den Vorstand des Verbandes vor eine schwierige Situation: wem sollen wir helfen? Darüber müssen wir intensiv nachdenken – bewertet Henryk Hoch.

(Text und Fotos   Lech Kryszałowicz)


07/2011   Singen ist eine schwere Arbeit   Bad Pyrmont. Künstlerische Werkstatt

Sechs Personen aus drei Gesellschaften – Osterode, Deutsch Eylau und Ortelsburg – waren auf der künstlerischen Werkstatt zu Gast, die die Landsmannschaft Ostpreußen für ihre Landsleute in Bad Pyrmont organisierte.

Die Werkstatt fand vom 10. bis 12. Juni statt. Sie hatte die Fortbildung der gesanglichen, tänzerischen und instrumentellen Fähigkeiten (Gitarre, Flöte) zum Ziel. Unsere Vertreter nahmen an diesen letzten jedoch nicht teil. Außer ihnen übten viele ehemalige Einwohner von Ostpreußen aus Deutschland. Die Übungen dauerten den ganzen Tag. Vormittags gab es Tänze, und nach dem Mittagessen und dem Abendessen – Gesang. Sowohl das eine wie auch das andere betraf ostpreußische Folklore. Die Übungen leiteten von der Landsmannschaft angestellte Instruktoren.

– Das war schwere Arbeit und ich denke dabei überhaupt nicht an den Tanz, sondern an den Gesang. Wir wurden in Stimmen aufgeteilt, und singen sollte man nach Noten. Wer sie nicht kannte, musste das nach Gehör machen – erinnert sich Ingrid Lipka aus Osterode, eine Teilnehmerin des Ausflugs. Es fand sich auch freie Zeit zur Besichtigung von Bad Pyrmont.

– Ich war dort das erste Mal und bin bezaubert von dieser Stadt. Dort gibt es eine schöne Burg und einen herrlichen Park – fügt Helena Samsel aus Ortelsburg hinzu.

– Wir danken der Landsmannschaft Ostpreußen herzlich für die Organisation dieser Werkstatt und dafür, dass sie uns die Teilnahme ermöglicht haben. Das, was wir auf der Werkstatt gelernt haben, wollen wir jetzt in unseren Organisationen "einimpfen" – sagt Ingrid Lipka.

– Ich träume von der Eröffnung einer Gesangsgruppe in unserer Gesellschaft. Schon einmal zum 15-jährigen Jubiläum unserer Organisation gab es kurze Zeit eine solche Gruppe – fährt Helena Samsel fort.

In Osterode wird die Weitergabe der Erfahrung nicht schwer, denn dort wirken sowohl ein Seniorenchor als auch eine Jugendgesangs- und -tanzgruppe. Deutsch Eylau jedoch hat eine Situation ähnlich wie die in Ortelsburg.

lek (Lech Kryszałowicz)


07/2011   Für das Wetter eine 6, für die Kinder eine 1   Neidenburg in Passenheim. Ferienlager im Regen

Das Wetter war trüb, dafür erwiesen sich die Kinder als um so heiterer. So verlief ganz kurz gefasst das Sommerferienlager für die Kinder aus der Neidenburger Gesellschaft der deutschen Minderheit, das in diesem Jahr in Passenheim stattfand.

Das Projekt dauerte vom 4. bis zum 9. Juli, und obwohl das Wetter enttäuschte – so die Meinung der Teilnehmer – war es natürlich entschieden zu kurz. An ihm nahmen 15 Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren teil. Die Mehrheit der Teilnehmer stellten die Teilnehmer des Deutschkurses, der von der Gesellschaft durchgeführt wurde. Sie fuhren als Belohnung für gute Arbeit.

Die Wahl des Ortes, dem Erholungszentrum Kalwa bei Passenheim am Kalwa-See, entpuppte sich als Treffer ins Schwarze. Das Wetter jedoch war mies. Es regnete oft. Dazu war es nicht besonders warm. Für ein Bad im See war es zu kalt. Dafür konnten die Kinder das Schwimmbecken nutzen. Wegen des Wetters sah jeder Tag ein wenig anders aus. Die Organisatoren bemühten sich, ein wenig Sonne zu erwischen, der Stundenplan war also abhängig davon, wie gerade das Wetter war. Eins war sicher: täglich um 10 Uhr begann der dreistündige Deutschunterricht, den Sabina Wylengowska, die Vorsitzende der Neidenburger Gesellschaft der Deutschen Minderheit, leitete.

– Das war Unterricht in Spielform. Wir haben Wettbewerbe, Quiz und Rätsel durchgeführt und viel gemalt. Die Kinder waren sehr fleißig und warteten schon vor 10 Uhr auf den Unterricht – sagt Sabina Wylengowska.

Des zweite Betreuer war Damian Kardymowicz aus Heilsberg, der Gründer und Koordinator der dortigen Johanniterjugend. Damian brachte den Kindern die Regeln der Rettungswesens im Fall von unglücklichen Unfällen bei. Auch an seinem Unterricht nahmen die Kinder mit großem Interesse teil.

Diese sommerliche Erholung der Kinder wurde möglich durch das Engagement von Herrn Hermann Breuer, dessen Vorfahren aus dem Kreis Neidenburg kommen, und der sich um die Finanzen kümmerte.

Die Vorsitzende freut sich über die Fahrt nach Passenheim nicht weniger als die Kinder.

– Solche Gesten geschehen selten. Dank Hans-Hermann Breuer hatten 15 unserer jungen Leute gelungene Ferien. Wir sind ihm dafür sehr dankbar und sagen herzlich Danke.

Die Vorsitzende konnte auch die Teilnehmer des Ferienlagers nicht genug loben, die – obwohl es regnete – sich nicht langweilten und artig waren.

lek (Lech Kryszałowicz)


09/2011   Ein Beruf für Verrückte   Ortelsburg. Journalistische Werkstatt

Ein Grüppchen junger Menschen, Unterricht am Wochenende, Warten auf einen schöpferischen Einfall und zuletzt ausgelaufene Tinte – oder eine Erzählung schwarz auf weiß von der Journalistischen Werkstatt in Ortelsburg.

Kann jeder von uns in einem beliebigen Moment seines Lebens den Beruf wechseln? Warum versuchen wir nicht unsere vielleicht vordergründig sinnlosen Träume zu erfüllen? Diese Fragen verdichteten sich in meinem Kopf, als ich auf der Internetseite des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren von der geplanten (10.-11.09.) journalistischen Werkstatt las. Das kann eine Chance sein, neue Fähigkeiten zu erwerben und mein Wissen zu erweitern, dachte ich.

Während des ersten Unterrichts machte uns Halina Bielawska, eine Journalistin der lokalen Zeitung, mit den allgemeinen Begriffen bekannt, die mit diesem Beruf verbunden sind. Sie berührte auch die Frage des Arbeitsbereichs und der Arbeitsethik. Ich erkannte in diesem Moment deutlich, wie sehr ich mich in meinen Betrachtungen des Journalismus geirrt hatte. "Alles ist leicht, solange wir uns selbst nicht damit beschäftigen" – dieser Gedanke begleitet mich während des Vortrags. Jetzt, da ich mir über einige Steuerungsprozesse der "IV. Macht" bewusster bin, habe ich eine viel breiteren Blick auf viele Dinge. Obwohl dieser Beruf – wie jeder andere – viele Nachteile hat, ist in ihm doch etwas Interessantes. Etwas, was bewirkt, dass ich Lust habe, den Füller in die Hand zu nehmen und über Fragen zu schreiben, die mich in Entzücken versetzen oder ganz im Gegenteil in Frustration und Verlegenheit. Es ist wahr, dass wir, wenn wir Energie und Herz in das legen, was wir machen, etwas Wichtigeres gewinnen: Befriedigung.

– Ein Beruf für Verrückte, die mit Schwierigkeit Familien- und Berufsleben verbinden. Sie haben eine kindliche Naivität und allseitiges Wissen, sagte über den Journalismus Halina Bielawska. Ob sie wusste, dass diese eigenartige Antireklame bewirkt, das ich dieses Handwerk versuchen will? Es ist niemals zu spät, Änderungen durchzuführen. Kann dieser optimistische Gedanke der Beginn eines neuen Hobbys sein? Die Zeit wird zeigen, ob das, was ich schreibe, andere werden lesen wollen...

Kamila Mańka


12/2011   Geschichte und Geschichten aus Masuren

"Der scharfe Ostwind pfiff unbarmherzig um die Wirthhöfe in Baranowen in Masuren. In der schummrigen Stube des Wirthhofes von Gottlieb Loch war es jedoch wohlig warm." Mit dem so beschriebenen 25. November 1875 beginnt das Leben von Friedrich Loch und das Buch "Geschichte einer masurischen Familie von 1875 bis 1947" von Irmgard Irro. Darin präsentiert sie in Schlaglichtern den Alltag ihrer Familie, in den immer wieder die große Geschichte einbricht. Im Interview bei den Masurischen Gesprächen Ende September in Kruttinnen sprach sie über die Hintergründe der Entstehung des Buches:

Wochenblatt: Sie selbst sind in Niederbayern geboren. Wie kommt aber eine Masurin wie ihre Mutter dorthin?

Irmgard Irro: Mein Vater kam mit seiner Kompanie in das Dorf meiner Mutter. Die dortigen Mädchen im heiratsfähigen Alter musterten die fremden Männer. Meine Mutter sah einen sehr dunklen, schmalen, großen Mann und dachte, so einen will ich nicht. Er hatte aber sein Depot auf dem Hof ihrer Eltern, sie verliebten sich und heirateten am 6. Februar 1941. Im Herbst 1942 nahm mein Vater seine Frau mit dem 10 Monate alten ersten Sohn zu sich nach Hause nach Niederbayern.

Wochenblatt: Ihre Mutter wurde also nicht vertrieben. Dennoch hat sie Ihnen oft und viel von Masuren erzählt. War Ihnen damals klar, wo dieses Ostpreußen liegt?

Irmgard Irro: Meine Mutter hatte dort eine schöne Jugend und Kindheit, und konnte sehr kreativ erzählen. Damals habe ich mir oft gedacht, ich will da mal hin. Meine Mutter sagte aber immer: das geht nicht, das ist zu weit weg. Also musste es irgendwo außerirdisch sein. Später wusste ich zwar, wo es lag, aber es war unerreichbar, so sehr hat mich meine Mutter geprägt.

Wochenblatt: Wann haben Sie geschafft, diese innere Grenze zu überwinden?

Irmgard Irro: Jetzt erst, als die Mutter gestorben ist. Ich habe festgestellt, dass sich die Natur in Ostpreußen im Wesen der Menschen verkörpert. Die Seele meiner Mutter empfinde ich in der Landschaft, in den Bäumen und überall – sie ist mir hier sehr nahe.

Wochenblatt: Sie haben gesagt, dass sie beide einander sehr nahe standen. Wie sind Sie mit ihrem Tod fertig geworden? Wie haben Sie sich geändert?

Irmgard Irro: Das war für mich ganz schrecklich. Ich habe dann in einer pharmazeutischen Firma schwer körperlich gearbeitet. Zweieinhalb Jahre lang. So schwere Arbeit war ich nicht gew&oum;hnt, aber damit habe ich meine Trauer abgearbeitet. Ich habe mich erstaunlicherweise in meiner ganzen Wesensart geändert. Früher war ich typisch niederbayerisch wie mein Vater – maulfaul und introvertiert. Plötzlich entwickle ich das Temperament wie meine Mutter.

Wochenblatt: Und mit dieser Energie haben Sie dann das Buch in Angriff genommen?

Irmgard Irro: Genau. Ich wollte das auch zur Ehre meiner Mutter und meiner Großeltern. Sie waren einfache Bauern, die durch den Krieg viel gelitten haben. Ich habe das erst jetzt richtig verstanden. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich meiner Mutter noch mehr Gutes getan.

Das Interview führte   Uwe Hahnkamp

Irmgard Irro   "Geschichte einer masurischen Familie von 1875 bis 1947", 2011, im Eigenverlag;
Preis: 20 Zloty + Porto in Polen erhältlich über die Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit, ul. Partyzantów 3 in Allenstein, Telefon: 89 523 69 90