Hindenburg Schule

Edelfried Baginski, Helga Frankiewicz, Liebgard Grabosch, Werner Bartsch und Frau, Brigitte Gudowski, Dieter Bergmann, Brigitte Lemke, Gerhard und Ruth Höfert, Prof. Dr. Dietlef Niklaus, Renate Krömer, Liselotte Niklaus-Paschkowski, Alfred Kruppa, Rose-Marie Panskus, Herbert Künzel und Familie, Brigitte Tacke, Wolfgang Mazart und Frau, Günter Scheumann, Erwin und Ruth Syska, Johannes und Margot Dr. Weidlich, Helmut Zintarra und Frau.

Treffen der ehemaligen Ortelsburger Oberschüler   in Bad Harzburg

Liebe Schulfreundinnen und Schulfreunde,

viele von Euch warten auf unsere Rundbriefe. In diesem Jahr schaffen wir nur zwei davon. Im nächsten Jahr wollen wir uns da wieder mehr anstrengen. Wir werden immer älter und müssen dafür unseren Tribut zollen. Das Sehen, Hören und auch das Schreiben fällt immer schwerer. Die Rückbesinnung auf unsere Kindheit und Jugendzeit in Ortelsburg ist allerdings erstaunlich präsent. Ein kleiner Anstoß genügt, und schon sprudelt es aus uns heraus. Der Austausch der Erinnerungen ist für uns alle jedes Mal schön und wichtig, besonders auch mit den Schulkameraden. So war unser diesjähriges Treffen in Bad Harzburg vom 27. bis 29. September wieder ein voller Erfolg. Es gibt nur positive Rückmeldungen.

Der Vorstand unserer Vereinigung traf sich bereits am Freitagnachmittag. Johannes Weidlich hatte die Programmpunkte für die drei Tage gut vorbereitet und für jeden Teilnehmer kopiert. Es war nur noch weniges abzusprechen und zu verteilen.

Am Freitagabend trafen sich die Ortulfschülerinnen und Hindenburgschüler zum geselligen Beisammensein im Goslarer Zimmer. Das war ein fröhliches Hallo beim Wiedersehen. Es hatten sich mit Angehörigen sechsunddreißig angemeldet, gekommen waren aber nur achtundzwanzig. Bis zuletzt hatten sich noch einige abmelden müssen.

Viele Grüße wurden verlesen oder persönlich von Freunden überbracht. Es wurde ein netter Abend und es wurde viel palavert.

Am Samstagmorgen ab 10 Uhr wurde beim Frühschoppen weiter palavert über ehemalige Lehrer und Schüler. Dabei tauchte die Frage nach jüdischen Mitschülern auf. Von den Anwesenden hatte keiner konkrete Erinnerungen. Einige von uns wollen der Frage nachgehen und weiter recherchieren. Über die Geschichte der jüdischen Mitbürger in Ortelsburg gibt es kaum Belege. Es gab aber eine jüdische Gemeinde und auch eine Synagoge, die von den Nazis abgebrannt wurde.

Am Samstagnachmittag war zur gemeinsamen Jahresversammlung 2013 beider Schulen eingeladen worden. Traditionell begann sie mit dem Kaffeetrinken, Johannes Weidlich begrüsste die Teilnehmer und stellte die Beschlussfähigkeit fest.

Die eingegangenen Grüße wurden in einem Aktenordner ausgelegt. Ein Gruß muss besonders erwähnt werden. Er kam per Telefon direkt aus Amerika. Marianne de Rivera hatte ihren Anruf auf die Minute getimt. Der Ober brachte den Hörer herein, und Marianne erhielt über das Telefon einen Riesenbeifall. Dietlef Niklaus Vereinigung ehemaliger Lehrer und Schüler der Hindenburgschule Ortelsburg Rundbrief 2/2013 führte das Gespräch. Am Schluss wurden für Marianne alle vier Strophen des Ostpreußenliedes gesungen. Das war natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt.

Die Ehrung der verstorbenen Schulfreundinnen und Schulfreunde nahmen Liselotte Niklaus-Paschkowski für die Ortulfschülerinnen und Dieter Bergmann für die Hindenburgschüler vor.

Die Namen der Hindenburgschüler sind:

Horst-Rüdiger Anders, verstorben am 6.Juli 2013, Manfred Goerke, Horst-Erich Heise, verstorben im Juni 2013, Kurt Jablonowski, verstorben im Juni 2013, Rüdiger Schmidtmann, verstorben im Juli 2013 und Werner Zabel, verst. am 27.12.12.

Berichte über die Aktivitäten beider Vereinigungen der Ortelsburger Oberschulen trugen Erwin Syska und Dietlef Niklaus vor. Der Vorstand der Hindenburger trifft sich zweimal im Jahr. Erwin hat auch wegen seiner polnischen Sprachkenntnisse immer mal wieder Kontakte mit der Schule in Ortelsburg. Bei Dietlef laufen alle Informationen der Ortulfsschülerinnen zusammen.

Ein neuer Zugang für unsere Vereinigung ist zu vermelden. Renate Krömer stellte sich vor. Sie vertritt ihre Familie, die mit der Hindenburgschule verbunden war und wird bei der Versendung von Gratulationen eine wertvolle Unterstützung sein. Also herzlich Willkommen!

Erwin Syska berichtete über den Kassenstand unserer Vereinigung. Der hat sich wieder erholt. Wesentliche Ausgaben werden für die Versendung der Rundbriefe und der Geburtstagsgrüße benötigt. Der Vorstand selbst verursacht keinerlei Kosten. Horst Czeranski hat die Unterlagen geprüft und stellt den Antrag auf Entlastung des Vorstandes. Die erfolgt einstimmig.

Edelfried Baginski berichtete über die Kreisgemeinschaft Ortelsburg, die zu den größten und aktivsten unter den Landsmannschaften gehört. Die wöchentlichen Treffen in der Heimatstube in Herne sind stets gut besucht. Das Hauptkreistreffen vor vierzehn Tagen war einmal mehr ein Höhepunkt. Edelfried wies besonders auf die große Bedeutung des Ortelsburger Heimatboten hin. Er hat weit über den Kreis hinaus einen hohen Stellenwert. In diesem Jahr erscheint er in der 50. Auflage mit 7400 Exemplaren.

Auf den geselligen Abend am Samstag im Goslarer Zimmer hatten sich alle gefreut. Herr Norbert Stagge am Klavier sorgte wieder für die musikalische Unterhaltung. Er hatte sich gut vorbereitet und Texte für die Sänger kopiert. Leider fehlte uns die Gudrun mit ihrer kräftigen Stimme beim Singen. Freuen durften wir uns über Frau Bartsch. Sie hatte sich im Krankenhaus Goslar die Schulter, die ihr beim Umsteigen in Hannover ausgekugelt war, wieder einrenken lassen. Der fröhliche Abend klang mit dem Ostpreußenlied aus.

Die Matinee am Samstag hatten Dietlef Niklaus und Johannes Weidlich vorbereitet. Begonnen wurde mit einem Geburtstagsständchen für Liselotte Niklaus. Für das Rahmenprogramm hatte Dietlef wieder die Mendelssohn-Musikschule Einbeck engagieren können.

Unter der Leitung von Frau Ellen Wolpert wurden uns anspruchsvolle Stücke dargeboten. So konnten wir uns davon überzeugen, dass die jungen Künstler in ihrer Entwicklung gute Fortschritte gemacht haben. Den einen oder anderen hatten wir schon in früheren Jahren hören können. (Marie Hahn – Violine, Kira Jansen – Violine, Sören Schirmer – Klavier, Larissa Meyer – Klavier).

Johannes Weidlich las in zwei Abschnitten aus den Erinnerungen unseres ehemaligen Direktors F. G. Bunnemann an seine Zeit in Ortelsburg vor. Bunnemann leitete die Schule von 1918 bis 1929. Er erlebte den Wiederaufbau und den Neubau 1924 nach dem ersten Weltkrieg. Unter seiner Leitung wurde die Schule als Vollgymnasium anerkannt. Sein Nachfolger war dann bis 1945 Dr. Max Meyerhöfer, den wir ja alle noch kennen. Unser nächstes Treffen wurde bereits im vorigen Jahr beschlossen. Es wird wieder im Braunschweiger Hof in Bad Harzburg stattfinden.

Termin: 26. bis 28. September 2014. Da werden wir beschließen müssen, wie und ob es weitergehen soll. (Bergmann)

Auf der Jahresversammlung hatte sich Renate Krömer, die Erwin Syska tatkräftig bei den Glückwünschen unterstützt, bereits vorgestellt und die ostpreußische Geschichte ihrer Familie erzählt – jetzt folgt die schriftliche Fassung:

Es war einmal... Es war einmal im August 1984 und ich fuhr mit der Schulfreundin meiner Mutter, der Ortulfschülerin Friedel Hipler Richtung Willenberg. Mir war beklommen zu Mute, das Herz klopfte ganz schnell, viele Bilder aus den Erzählungen meiner Mutter stiegen aus der Tiefe empor und plötzlich sagte
Friedel: Guck mal, da ist euer Schornstein!

Es war der Schornstein der ehemaligen Molkerei Salpp, mir so vertraut von den Photos der Familienalben, die wundersamerweise gerettet worden waren. Nun sah ich ihn in Natura, und mir war, als hätte jemand seine Faust in meinen Bauch gerammt.

Mutti, sie steht noch!! rief ich laut, ohne dass ein einziger Ton von meinen Lippen kam. Meine Mutter war am 30.11. 1983 gestorben, dass ihre Tochter in die alte Heimat fahren könnte, kam in ihren Gedanken niemals vor. Den Verlust der Heimat und vor allem den Verlust des Bruders Sasso Salpp und der ersten wirklichen Liebe Walter Hau, hat sie nie verkraftet. Walter Hau war Fliegerleutnant, er hat sie noch darauf vorbereitet, dass der Absturz sozusagen vorprogrammiert ist. Und so geschah es.

Mein Großvater Willy Salpp begab sich mit der Familie und den Angestellten der Molkerei in Willenberg auf die Flucht. Natürlich war es viel zu spät, Januar 45 und die Russen waren schon in Neidenburg. Sie sind nicht weit gekommen, wurden vom Russen überrannt.

Sasso und mein Opa wurden verschleppt, mein Opa hat es überlebt, kam nach Deutschland zurück, Sasso hat es als einziger der Familie nicht geschafft. Er starb an Hunger und Typhus, ich weiß das Datum nicht. Er wäre am 4. März 1945 sechzehn Jahre alt geworden.

Meinem Opa hat es das Herz gebrochen, er versteinerte und hat niemals mehr ein Wort über Ostpreußen verloren. Ich habe nie einen Zugang zu ihm bekommen, er blieb mir fremd bis zu seinem Tod 1978. Dafür war mir Sasso umso vertrauter, obwohl ich ihn doch nie kennengelernt hatte.

Sein Bild stellte ich in mein Kinderzimmer und ich konnte nicht genug davon bekommen, mit meiner Mutter auf dem Sofa zu sitzen, in den Alben zu blättern und den Geschichten einer versunkenen Zeit zu lauschen.

Meine Mutter war 1944/45 in Berlin stationiert, sie saß am Funkmessgerät und musste den Winkel für die Scheinwerfer der Flak berechnen, damit die Flugzeuge richtig angestrahlt werden konnten.

Sie, die so viel erzählt hat, hat mir bis zu ihrem Tod nicht gesagt, wie ihr die Flucht aus Berlin nach Norddeutschland gelungen ist und ich habe sie niemals gefragt, es war ein Tabu.

Es mussten viele Jahre vergehen, und manchmal geht das Leben verschlungene Pfade, und wenn die Zeit reif ist und der Moment gut, wird der Faden der Familie weiter gestrickt.

So geschah es, dass mir Friedel Hipler zum ersten Mal den Rundbrief der Hindenburgschüler schickte.
Dort war die Rede von der Erinnerungstafel, die an der Schule angebracht werden sollte.

Ich las aufmerksam und war ganz aufgeregt. Mein Mann und ich besuchten am Abend ein Restaurant, unbedingt wollte ich ihm davon erzählen. Also steckte ich den Brief ein, um ihn beim Dessert meinem Mann vorzulesen. Das Dessert blieb mir plötzlich im Halse stecken, und laut lesen konnte ich auch nicht mehr. Die Tränen kamen in Strömen, ich konnte mit Weinen nicht aufhören.

Ich wusste nicht wie mir geschah, denn Weinen in aller Öffentlichkeit war bei mir noch nie vorgekommen. Dann sprach mein Mann Gerd folgenschwere Worte. Seine Hand lag auf meinem Arm, und er sagte ruhig und liebevoll: ich denke, du solltest bei der Feier in Ortelsburg dabei sein.

Ich wusste, er hatte recht, und ich spürte sie plötzlich alle, sie standen um mich herum, die ganze Familie und nickten mir zu und wisperten: Fahre hin, schließe den Kreis, es ist Zeit.

So lernte ich Erwin Syska kennen und weitere Hindenburgschüler und ich sage Euch, die Tage in Ortelsburg werde ich nie vergessen, es war sehr, sehr zu Herzen gehend und es war schön, die Freundschaft und das Vertrauen unserer polnischen Gastgeber zu spüren.

Natürlich bin ich nach Willenberg gefahren, in Erwartung, meinen Schornstein schon von weitem leuchten zu sehen. Es leuchtete nichts. Die Molkerei, als Pilzfabrik betrieben, existierte nicht mehr. Stattdessen erblickte ich ein stattliches Gebäude in Schweinchenrosa, das zu einem riesigen Sägewerk daneben gehörte. Schwedische Fahnen flatterten im Wind. Früher gehörte das Areal dem Sägewerk Hipler.

Dann habe ich mir zusammengereimt, dass wohl die Katastrophe von Tschernobyl die Ursache ist .Die Pilze waren verseucht und die Firma ging Pleite. Inzwischen bin ich Ehrenmitschülerin der Hindenburg-
schule und das macht mich glücklich und stolz.

Ich habe ganz viele wunderbare Menschen kennen gelernt, von der Ortulf- und der Hindenburgschule, und ich habe die ehrenvolle Aufgabe, Erwin zu unterstützen und die Geburtstagsbriefe zu verschicken. Ihr seid in ganz Deutschland verteilt, euer Ausgangspunkt war diese Schule, ihr musstet in dunkelster Zeit auf einen Teil eurer Identität verzichten und habt das Leben dank eurer jugendlichen Kraft und eurem Überlebenswillen bravourös gemeistert.

Bitte achtet auf Euch, kommt bitte, bitte zahlreich zum Klassentreffen nach Bad Harzburg im nächsten Jahr! Eure Renate Krömer (17.11.13)

Aus Ortelsburg erreichte uns ein Dankesgruß der Rektorin Danuta Maroszek für die Glückwünsche anlässlich ihres Geburtstages. Dabei erwähnt sie auch die erfreuliche Tatsache, dass im Sommer die Touristen die Gedächtnistafel am Schulgebäude mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen und sie fotografieren. Das ist sicher auch für uns ein bemerkenswertes Faktum und gibt zur Freude Anlass!

Und nun wünschen wir Euch eine friedliche, ruhige Adventszeit und gesegnete, frohe Weihnachten Eure Schulkameraden.

Erwin Syska, Dieter Bergmann und Johannes Weidlich

Rundbrief 2/2013 der Ortelsburger Oberschüler